Unterwegs im Wahlkreis: Sara Haug, Bündnis 90/Die Grünen
Alle 41 Gemeinden ihres Wahlkreises besuchte die Bundestagskandidatin, manche mehrfach. „In den Gesprächen habe ich gemerkt, wie sehr das Interesse der Wähler*innen an grünen Themen zugenommen hat“, berichtet Sara Haug. In den Kreisen Calw und Freudenstadt haben die Grünen bei den letzten Wahlen kontinuierlich mehr Stimmen holen können.
Die CDU hat in Calw und Freudenstadt keine Garantie mehr auf das Direktmandat, sondern muss sich wie auch im Bund dem Wettbewerb mit Kandidatinnen und Kandidaten anderer Parteien stellen. Deswegen hat der Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen besonderes Augenmerk darauf gelegt, die junge Bundestagskandidatin mit Besuchen prominenter Landes- und Bundespolitiker*innen zu unterstützen.
Bundespolitiker*innen besuchten den Wahlkreis
Dank Sara Haug kamen regelmäßig Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des baden-württembergischen Landtags in den Wahlkreis: Harald Ebner (MdB) als Obmann der Grünen im Landwirtschaftsausschuss besuchte mit ihr den Nesch-Hof in Nagold-Vollmaringen und ließ sich von Rudi Nesch erklären, wie seine Umstellung auf eine naturfreundlichere Bewirtschaftung funktioniert hat.
Mit Cem Özdemir (MdB) stieg sie aufs Windrad bei Alpirsbach und diskutierte vor Ort mit Beteiligten. Am Egenhäuser Kapf war sie mit der Landesumweltministerin Thekla Walker (MdL) unterwegs und sprach mit ihr auf der zweistündigen Rundwanderung über Klima-, Moor- und Naturschutz.
Sara Haug und Agnieszka Brugger (MdB) diskutierten mit Bürger*innen über Afghanistan und die Bundeswehr, und mit Franziska Brantner (MdB) besuchte die Kandidatin das Familienzentrum in Freudenstadt und die Räume der Erlacher Höhe in Bad Wildbad.

Auch Bürgermeister und Führungskräfte aus Wirtschaft und sozialen Einrichtungen waren gefragte Gesprächspartner*innen bei den Besuchen der Kandidatin. Engagierte Bürgerinnen und Bürger waren stets mit dabei, Fachleute zum jeweiligen Thema gaben ihre Einschätzungen ab.
Nein zum dreispurigen Ausbau derB463
Matthias Gastel (MdB) traf sich mit Sara Haug und Bürgermeister Carsten Lachenauer in der Gemeinde Unterreichenbach. Dort soll die B463 zwischen Bad Liebenzell und Dennjächt dreispurig ausgebaut werden, wenn es nach dem Willen der CDU und dem scheidenden MdB Hans-Joachim Fuchtel ginge.
Haug und Gastel sprachen mit Vertreter*innen des Aktionsbündnisses gegen den Ausbau. Als Mitglied des Verkehrsausschusses im Bund wird Gastel das Projekt im Auge behalten und Möglichkeiten vorschlagen, welche Schritte gegen das Prestigeprojekt der CDU zu unternehmen wären.
Bürger*innen beteiligen statt bevormunden
Die frühzeitige Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist vielen Bürgermeistern in Sara Haugs Wahlkreis ein Anliegen. „Es macht keinen Sinn und kostet den Steuerzahler nur Geld, die Leute vor Ort zu übergehen“, so Haug im Gespräch mit Carsten Lachenauer über die B463.
Positive Beispiele für die Beteiligung von Bürger*innen gibt es: Oberreichenbach bietet der Gemeinde ein Elektro-Bürgerauto, einen genossenschaftlich organisierten Dorfmarkt, ein Gemeindehaus und sogar eine Bücherei. „Lebensqualität durch Nähe“ ist das Motto der Gemeinde, die sich ein eigenes Leitbild gegeben hat. Das Engagement der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen zeigt, dass den Worten auch Taten folgen. Sara Haug freut sich über die gelungene Kommunikation in der Gemeinde und den unermüdlichen Eifer von Bürgermeister Karlheinz Kistner, „nicht weil man’s muss, sondern weil er überzeugt ist, dass die Projekte dann besser werden“ – so auch in der Gemeinde Ebhausen, wo das Bürgerauto mit grünem Strom vom Rathausdach geladen wird.
Bürger*innenbeteiligung ist für Sara Haug als Bundestagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen ein Herzensanliegen. Dafür will sie sich auf Bundesebene einsetzen. Mit Zufallsräten können Bürgerinnen und Bürger besser in Entscheidungen eingebunden werden. So werden Regierungsentscheidungen nachhaltiger und erzielen mehr Akzeptanz in der breiten Bevölkerung.
Grün aus Tradition
Traditionen spielen bei Bündnis 90/Die Grünen eine größere Rolle, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Umweltschutz hat bei den Grünen seit ihrer Gründung ein kraftvolles christliches Fundament, nämlich die Bewahrung der Schöpfung. Für Sara Haug ist der Glaube an Gott eine Quelle des Urvertrauens.
So fühlte sie sich gleich sehr willkommen beim Besuch in der Ostelsheimer Kirchengemeinde. Dort gibt es Kerzen aus Raps, nachhaltige Geschenke und fair produzierte Pflastersteine. Die Gemeinde Ostelsheim hat immer wieder eine ökologische Alternative zu herkömmlichen Produkten gesucht und gefunden. Die Pflasterarbeiten vor der Kirche stammen aus einem fair wirtschaftenden Betrieb von Menschen, “die sich den Rücken krumm machen, damit wir gerade gehen können“, sagte Pfarrerin Heike Ehmer-Stolch.

Der Wetterhahn auf der Kirchturmspitze ist ein alter Brauch. In Ostelsheim hat er nun auch eine symbolische Funktion: Die Gemeinde hat sich der Umweltinitiative „Grüner Gockel“ angeschlossen. Angelehnt an die EMAS-Richtlinie für Unternehmen wurde für Kirchen ein Katalog möglicher Maßnahmen entwickelt, anhand dessen die ökologischen Ziele immer wieder für die teilnehmenden Kirchengemeinden überprüft werden.
Tradition und Innovation
Tradition bedeutet für Sara Haug nicht, beim Alten zu verharren. Sie meint, „anders als in der konservativen Politik werden bei den Grünen erfolgreiche Traditionen für Innovationen verwendet.“ Immer wieder konnte sie bei ihren Besuchen im Wahlkreis über denkmalgeschützte Gebäude und betagte Maschinenanlagen staunen, die nach wie vor ihren Dienst versehen und die laufend weiterentwickelt werden. So zum Beispiel in einer Schmiede: Schon vor zweihundert Jahren waren die Friedrichstaler Sensen weithin bekannt. Die Schwäbischen Hüttenwerke in Friedrichstal produzieren nicht nur Hacken und Spaten, sondern auch Geräte für die Landtechnik wie Gabelzinken für Frontlader.
„Wir haben hier exzellente lokale Anbieter“, sagt Haug, „die sollten wir kennen und nutzen. Wer will schnelle Ware aus anderen Ländern, die unter schlechten Arbeitsbedingungen produziert werden, wenn wir hier bei uns Qualitätsprodukte haben, die unter guten Bedingungen lokal hergestellt werden?“
Wie aus Tradition Innovation wird, wurde auch deutlich beim Besuch der Staatsklenge in Nagold, einem landeseigenen Betrieb zur Sammlung und Entwicklung für Saatgut des Waldes. Wenn Kiefernzapfen aufspringen, gibt es einen eigenartig knisternden Klang – davon wurde das Wort „Klenge“ abgeleitet, informiert die Webseite der Staatsklenge.
Wie schon vor 150 Jahren werden Zapfen und Samen, zum Beispiel Eicheln, von Hand gesammelt. Das Saatgut wird extrahiert und zur Lagerung behandelt. So können forstlich bedeutsame Arten bereitgehalten werden. Baumarten aus heißeren Ländern, die mehr Trockenheit vertragen, sind in Zeiten der Klimakrise zunehmend gefragt. Damit der Schwarzwald auch in Zukunft noch grün bleibt, müssen unter anderem auch trockenheitsresistente Bäume nachgepflanzt werden.
Wenn die Erderhitzung nicht gestoppt wird, so der Leiter der Staatsklenge, Thomas Ebinger, werden Milane und Fledermäuse viel stärker gefährdet als durch Rotorblätter von Windrädern.
Das Auerwild bleibt
Auch beim Treffen mit Cem Özdemir am Alpirsbacher Windrad ging es immer wieder um die von Windkraftgegnern behauptete Gefährdung des Wildes, hier um das Wappentier des Kreises, den Auerhahn. Carsten Demberger, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen in Freudenstadt: „Wir haben hier keine toten Tiere gesehen. Es gibt viele Flächen, wo das Auerwild nicht gefährdet ist.“ Nach wie vor nisten die Tiere am nahen Waldrand.
Aus forstwirtschaftlicher Sicht ist es „Blödsinn“, dass Windräder den Wald „zerstören“. Darin waren sich die beiden anwesenden Förster einig. Simon Stahl von der ForstBW und Leiter des Forstbezirks Mittlerer Schwarzwald, räumt allerdings ein, das Geräusch sei eine Beeinträchtigung, wenn man gewöhnt ist, im Wald nichts zu hören. Sara Haug: „Ich habe den Eindruck, dass das häufig eine Ausrede ist. Straßen sind viel schlimmere Lärmquellen als Windkraftanlagen.“
Straßenlärm lässt die Gläser im Schrank klirren
Einer der anstrengendsten Ortstermine der Bundestagskandidatin war das zweistündige Treffen in Eutingen im Gäu – direkt an der B28a, die mitten durch den Ort führt. Immer wieder musste das Gespräch unterbrochen werden, wenn Speditions-LKW über die Unebenheiten im Asphalt bretterten. Karl-Heinz Kramer, ein Anwohner: „Die Schachtdeckel erzeugen dermaßen starke Erschütterungen, dass das ganze Haus vibriert. Da klirren die Gläser im Wohnzimmerschrank!“

Zwar hat die Gemeinde einen Lärmaktionsplan aufgestellt. Kurzfristig ist jedoch keine Erleichterung in Sicht, denn die erwartete Entlastung der Bundesstraße kommt erst in einigen Jahren mit der im Bau befindlichen Hochbrücke über den Neckar. Selbst dann rechnen die besorgten Bürger*innen noch mit mindestens 400 Fahrzeugen am Tag. Ohne eine Instandsetzung der Fahrbahndecke wird es weiterhin scheppern und klappern, wenn Laster und Gespanne durch den Ort fahren.
„Der Mensch sollte im Mittelpunkt der Verkehrsplanung stehen, und nicht das Auto“, fordert die Bundestagskandidatin.
Jeden Menschen sehen
Wie sehr jeder einzelne Mensch mit seinen Belangen von der Politik wahrgenommen werden muss, zeigten die Besuche von Sara Haug in sozialen Einrichtungen wie dem Freudenstädter Martin-Haug-Stift, dem Frauenhaus in Freudenstadt und dem dortigen Familienzentrum sowie der Erlacher Höhe in Bad Wildbad.
Kein Schicksal gleicht dem anderen. Für manche Menschen ist es schon ein Gewinn, Tag für Tag in die Kreativwerkstatt kommen zu können und mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen. Der Erlacher Höhe ist es gelungen, sogar während der Pandemie ihre Türen offen zu halten. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um handgesägte Sonnenblumen aus Holz, bunt verzierte Schilder oder liebevoll dekorierte Spielzeuge – es geht darum, Menschen wieder einen Halt zu geben und sie auf eine mögliche Erwerbstätigkeit vorzubereiten. Ein Mitarbeiter des Hauses aus der Wäscherei erzählt, wie wichtig ein strukturierter Tag für ihn war, als er nach einem schweren Unfall Arbeit und Wohnung verlor.
Wer zum Pflegefall wird, ist dauerhaft auf Hilfe angewiesen. Glücklich sind diejenigen, deren Familien noch für sie da sein können. Das ist aber weder selbstverständlich noch überall möglich, wenn Fachpersonal gebraucht wird und die Pflege komplexer und teurer wird.
Die Grünen wollen deswegen mehr Möglichkeiten schaffen, pflegende Angehörige durch ambulante Angebote zu unterstützen. Dann können die Betroffenen länger zuhause wohnen. Betreutes Wohnen wird stark nachgefragt und bietet oft einen schrittweisen Übergang, bis die Betreuung in einem Pflegeheim wirklich erforderlich ist. Dadurch werden ebenfalls die dringend benötigten Pflegekräfte entlastet, und die Pflegebedürftigen behalten einen Großteil ihrer Autonomie.

Akute Notsituationen sind oft der traurige Höhepunkt einer Serie von Problemen, mit denen die Betroffenen schon lange kämpfen. Im Frauenhaus zum Beispiel finden Opfer häuslicher Gewalt eine erste Bleibe. Daneben legt das Familienzentrum viel Wert auf Präventionsarbeit und auf Früherkennung von Problemsituationen.
Kinder und Familien stärken
Im Fachgespräch mit Franziska Brantner und weiteren Expert*innen rund um Kinder- und Jugendarbeit wurde immer wieder deutlich: Ein Unglück kommt selten allein, aber ein Problem ist fast immer dabei, nämlich zu knapper und zu teurer Wohnraum. Homeschooling für drei Kinder einer alleinerziehenden Mutter in einer Zweizimmerwohnung – es braucht nicht viel Fantasie, um das als schwierig zu erkennen. Ebenso sieht es auch der Leiter der Erlacher Höhe, Andreas Reichstein: Der Dreh- und Angelpunkt vieler Hilfsangebote ist bezahlbarer und verfügbarer Wohnraum für die Betroffenen.
Dazu kommt, dass die Belange von Kindern und Jugendlichen in der Politik selten direkt einbezogen werden. „Unsere Städte und Gemeinden würden anders aussehen, wenn Kinder bei Bauangelegenheiten ein Mitspracherecht hätten“, sagt der Moderator des Fachgesprächs im Familienzentrum, Frank Ritthaler.
Sara Haug sieht Kinder aktuell als Verlierer der Pandemie. Sie hat selbst Erfahrung mit Pflegegeschwistern in ihrer Familie und kennt die Nöte solcher Krisen aus eigener Anschauung: „Da bekommt man mit, was für zerrüttete Familienverhältnisse es geben kann, deswegen ist es mir ein persönliches Anliegen, Familien und das soziale Netz zu stärken.“
Karriere und Familie vereinbaren
Persönliche Lebensthemen sind oft eng mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und politischen Entscheidungen verknüpft. Eine spannende Persönlichkeit als erfolgreiche Unternehmerin und dreifache Mutter fand Sara Haug in Alicia Lindner, der Geschäftsführerin des Naturkosmetikherstellers Annemarie Börlind.
Den Vorzeigebetrieb in der Region Calw mit 220 Beschäftigten führt die 32-jährige Enkelin der Börlind-Gründerin mit festem Blick auf die Umwelt: Nach den strengen CSE-Richtlinien (Certified Sustainable Economics) ist das Unternehmen bereits seit 2012 zertifiziert. Ziel ist, bis 2025 die Emissionen auf Null zu reduzieren und klimapositiv zu werden.

All diese Wandlungsprozesse können im Geschäftsbereich nur möglich gemacht werden, wenn auf politischer Ebene die Weichen entsprechend gestellt werden. Ebenso haben politische Entscheidungen aufs Privatleben große Auswirkungen. Nach einer Ganztagsbetreuung für ihre Kinder musste Alicia Lindner erst suchen. „Ganztagsbetreuung auch für Kleinkinder ist in vielen Ländern normal, hier aber immer noch ein Problem. Dabei sind einige Familien davon abhängig“, betont sie und wünscht sich, dass die Attraktivität der kinderbetreuenden Berufe aufgewertet und endlich besser bezahlt wird. Sara Haug sieht die Politik hier in der Pflicht, konkrete Verbesserungen zu erarbeiten.
Der Wandel hat schon begonnen
Viele Veränderungen beginnen, weil man in der Freizeit „unverbindlich“ etwas ausprobiert. So bringt die rasante Zunahme an E-Bikes immer mehr Menschen auf die Radwege, zur Erholung und auch auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder zu Besorgungen. „Damit wird der Blick aufs Verkehrsgeschehen auch bei denjenigen Bürgerinnen und Bürgern kritischer, die bisher noch kaum für die Nutzung öffentlicher Nahverkehrsangebote zu gewinnen waren“, erklärt Sara Haug.
„Gerade im ländlichen Raum müssen wir mehr Alternativen zum Auto anbieten“, fordert sie, und nennt ausgebaute Fahrradwege, Rufbus-Systeme wie ehemals das Centro im Landkreis Calw, und die oft geforderte Verbesserung der Fahrtakte im ÖPNV. Warum nicht in der Freizeit beginnen? Bad Herrenalb, Dobel, Enzklösterle, Kniebis – die Tourismusregion Schwarzwald konnte Sara Haug von ihren schönsten Seiten kennenlernen. „Durch die Pandemie machen ja auch viel mehr Leute im eigenen Bundesland Urlaub, und das ist eine hervorragende Gelegenheit, mal zu testen, wie der Alltag mit anderen Verkehrsmitteln funktioniert.“
Das Wahlergebnis am 26. September wird zeigen, wie Grün der Schwarzwald tatsächlich schon ist.
Text: Vera Naumann